Vorentflammung - Unkontrollierte, vorzeitige Selbstzündung in hochaufgeladenen Ottomotoren

 

Die Forderung nach effizienteren und schadstoffärmeren Verbrennungsmotoren hat zu der aktuellen Entwicklungsstrategie des „Downsizings“ geführt. Dieser Begriff steht im Allgemeinen für ein Konzept, das auf der Verringerung des Motorhubraums gründet, ohne dass sich hieraus Einbußen im Hinblick auf die Motorleistung ergeben. Diese beiden Anforderungen können nur durch eine erhebliche Steigerung des Motorwirkungsgrades kombiniert mit einer Erhöhung der Ladungsmasse gleichzeitig erfüllt werden. Aus Sicht der Thermodynamik lässt sich eine Wirkungsgradverbesserung durch die Erhöhung des Verdichtungsverhältnisses bewerkstelligen. Aus diesen Gründen geht der Trend hin zu hochaufgeladenen Aggregaten, die zudem durch ein hohes Kompressionsverhältnis gekennzeichnet sind.

Diese Maßnahmen haben jedoch zur Folge, dass sich thermodynamische Zustände im Brennraum einstellen, die sich, im Vergleich zu konventionellen Motoren, durch höhere Kompressionsdrücke und den damit einhergehenden hohen Temperaturen auszeichnen. Neben den hierdurch resultierenden gesteigerten Anforderungen an die Konstruktion, ergeben sich zusätzliche Herausforderungen bei der Auslegung des Brennverfahrens.
Solche Motoren zeigen in der Regel eine erhöhte Neigung zur klopfenden Verbrennung. Jedoch gravierender und gleichermaßen interessanter ist die Tatsache, dass sich im Volllast-betrieb bei niedrigen Drehzahlen eine bislang eher unbekannte Verbrennungsanomalie beobachten lässt. Unter diesen Betriebsbedingungen treten unkontrollierte Zündungen des Kraftstoff-Luft-Gemisches noch vor dem Ende des Verdichtungshubes scheinbar völlig stochastisch auf. Solche „Vorentflammungen“ wurden bereits in der Vergangenheit in anderen Motortypen festgestellt,  jedoch waren diese aufgrund der sehr geringen Häufigkeit und der weniger kritischen thermodynamischen Bedingungen eher unbedenklich.

Dies gilt jedoch nicht mehr im Bezug auf die Vorgänge in den hier betrachteten Ottomotoren. Die Vorentflammung ereignet sich in diesem Fall immerhin noch sehr sporadisch, unglück-licherweise mündet sie in der Mehrzahl der registrierten Ereignisse in extremes Motor-klopfen. Die resultierende Amplitude der Druckschwingung entwickelt ein sehr starkes Schadenspotential, so dass bereits eine geringe Anzahl von Ereignissen die Zerstörung des Motors bewirken kann. Abbildung 1 enthält die in einem Versuchsmotor aufgezeichneten Druckverläufe eines regulären Motorzyklus sowie eines Zyklus mit Vorentflammung. Das im Anschluss an die vorzeitige Zündung einsetzende Motorklopfen ist deutlich erkennbar. Zudem ereignet sich die Zündung im Falle der Vorentflammung weit vor dem eigentlichen Zündzeitpunkt, 6° KW (Kurbelwinkel) nach dem Oberen Totpunkt (oberste Stellung des Kolbens, 0-Stellung in der Abbildung).

Die Tatsache, dass die Vorentflammung vorwiegend in aufgeladenen und hoch-verdichtenden Ottomotoren beobachtet wird, lässt den Schluss zu, dass der vorherrschende thermodynamische Zustand einen maßgeblichen Einfluss auf die Neigung zur vorzeitigen Entzündung ausübt.

 

Abbildung 1: Gemessene Druckverläufe (C. Dahnz, IFKM, KIT) einer regulären Verbrennung (blau) sowie eines Zyklus mit vorzeitiger Selbstzündung und starkem Motorklopfen (rot)

Dies würde gleichzeitig bedeuten, dass das Phänomen der Vorentflammung sich den aktuellen Entwicklungsschwerpunkten entgegensetzt und somit eine physikalische Grenze für den Downsizing-Ansatz darstellt. Hieraus lässt sich augenscheinlich begründen, dass auf diesem Gebiet ein erheblicher Forschungsbedarf besteht.      
In dieser Arbeit soll gezielt nach den grundlegenden Ursachen für solche unkontrollierten und vorzeitigen Entflammungen gesucht werden. Hierzu werden zunächst sämtliche in Betracht kommenden Mechanismen, die potentiell eine Zündung eines Kraftstoff-Luft-Gemisches auslösen können, identifiziert. Abbildung 2 stellt eine übersichtliche Darstellung der möglichen Auslöser von Selbstzündungen in Kraftstoff-Luft-Gemischen dar. Diese sind nach ihren fundamentalen physikalischen Eigenschaften aufgegliedert und in einer Baumstruktur zusammengefasst. Diese Vorgehensweise ermöglicht eine systematische Untersuchung des Phänomens, bei der jede mögliche Ursache auf die Plausibilität hin untersucht wird, unter motorrelevanten Bedingungen eine Zündung hervorzurufen.
Die Untersuchungen werden in Kooperation mit dem Institut für Kolbenmaschinen des KIT durchgeführt. Dies ermöglicht einen kombinierten Forschungsansatz, der sowohl die detaillierte numerische Simulation von Zündprozessen, als auch Experimente am realen, seriennahen Motor umfasst. Die Erkenntnisse aus der Simulation, erlauben die Konzeption von zielgerichteten Schlüsselexperimenten, die möglichst eindeutige Schlussfolgerungen auf die Vorgänge im Motor zulassen.

Die numerischen Simulationen werden größtenteils anhand eines eindimensionalen Verbrennungsmodells durchgeführt. Die Vereinfachung bezüglich der Geometrie erlaubt die detaillierte Berücksichtigung sowohl der an der Zündung beteiligten physikalischen Prozesse als auch der chemischen Kinetik. In den meisten Modellen mit komplexer Geometrie wird, insbesondere bei der Darstellung der chemischen Kinetik, auf teilweise rudimentäre Modelle zurückgegriffen, um den erforderlichen Rechenaufwand in einem vernünftigen Rahmen zu halten. Da die Selbstzündung jedoch ein hochgradig nichtlineares Verhalten aufzeigt und der Ablauf der chemischen Prozesse sehr stark von den vorherrschenden thermodynamischen Randbedingungen abhängt, ist eine detaillierte Beschreibung der chemischen Kinetik unumgänglich bei der Untersuchung der Vorentflammung.

 

Abbildung 2: Potentielle Ursachen für eine Zündung in Kraftstoff-Luft-Gemischen

In Abbildung 3 sind exemplarisch die Ergebnisse einer Simulation der Selbstzündung ausgelöst von einem festen, reaktiven Partikel während eines Kompressionszyklus dargestellt.

 

Abbildung 3: Simulation der Zündung an einem heißen reaktiven Partikel während der Verdichtung

Schließlich zeigt der Vergleich der Simulationsergebnisse mit den experimentellen Befunden inwiefern das Verhalten im Motor, den Vorhersagen der Simulation entspricht. Wiedersprechen die in der Simulation prognostizierten Trends, den im Rahmen von Schlüsselexperimenten ermittelten Verläufen, kann die untersuchte Ursache nahezu ausgeschlossen werden.

Projektleiter:
Prof. Dr. rer. nat. habil. Ulrich Maas
Wissenschaftlicher Mitarbeiter:
Dipl.-Ing. Max Magar